„… die Augen sehen das strömende Geschehen nicht unmittelbar. Doch beim Zeichnen wird es notwendigerweise sichtbar.
Das Zeichnen selbst ist ein strömender Vorgang. Nichts wird hineingesehen, alles kommt aus der Gestalt selbst.“
Von der sichtbaren Gestalt zur unsichtbaren Wirkung
Die Zeichnungen des Echinacea-Projektes wurden inspiriert durch die Forschungen von Roger und Hildegard Kalbermatten, den Gründern der Heilmittelfirma Ceres, über die Signaturen der Pflanzen. Ergänzend dazu wollte ich mit zeichnerischen Möglichkeiten erkunden, welche unsichtbaren Gestaltkräfte sich durch das Wachstum in den Pflanzen verkörpern und wie sie ins Sichtbare gelangen, um später daraus extrahiert werden zu können.
Vor-Bild
Über sechs Monate, von ihren ersten, zarten Keimblättern bis zur ausgereiften Gestalt, konnte ich die Echinacea zeichnend begleiten. Die behutsame Annäherung und staunende Beobachtung wurde zum Erkenntnisprozess.
Entelechie
Die primäre Einstellung bei dieser Erkundung bestand darin, das Geschehen so zu betrachten, als wäre ich der erste Mensch, der ein solches Wachstum beobachten darf. Und als wäre diese Pflanze, stellvertretend für alle anderen, ein unbekanntes Wesen, das auch sich selbst erstmals erlebt. Einem unwiderstehlichen Rufe folgend, der es zugleich nach oben, in den lichten Weltenraum zieht, und nach unten, von irdischer Schwerkraft angesogen, wo es genährt und gehalten wird. Dass darin ein Ziel und verborgene Ordnungen wirken, die diese Entwicklung lenken, das offenbarte sich durch die Entfaltung der Pflanze. Man nennt das: Entelechie.
Zeichnen
Durch das Zeichnen kann sich das äußere Sehen zur Innen-Schau steigern, in der sich das intelligente „Buch der Natur“ – das in Gestalten spricht – offenbart. Die Gestalten dieses Buches erscheinen zwar bekannt, doch deren tiefere Bedeutung erschließt sich erst, wenn es gelingt, durch das Bekannte in den stillen und machtvollen Raum des Unbekannten – den Raum des Nicht- Wissens – einzutreten, darin präsent zu bleiben und so vielleicht zu neuer Einsicht inspiriert zu werden.
Eine weitere künstlerische Herausforderung war: Wenn die reife Pflanzengestalt geerntet wird, und die Form zerstört werden muss, um die Wirkstoffe der Pflanze freizusetzen, wie könnte dieser Übergang von der sichtbaren Gestalt zur unsichtbaren Wirkung visualisiert werden?
Alfred Bast 2015-2017
Mein Dank gilt:
Hildegard und Roger Kalbermatten, ohne sie gäbe es diese Werkgruppe nicht.
Ulla Röber, für die sorgfältige Produktion der Mappe und die wache, freundliche Begleitung.
Renata Keller, für die inspirierend-meditativen Filme und die konstruktiven Gespräche.
Julius Bucher, für unermüdliche, kompetente Datenerstellung.
Lena Bast, für die Textkorrekturen.
Bernhard Maier, für das Rahmen der Originale und den Ausstellungsaufbau.
Herrn Bauer und der Firma Scheuffelen für die reibungsloe Druckabwicklung.
Und nicht zuletzt den stillen, treuen Förderern meiner Arbeit.