9. April 2020. Werktagebuch.

8. Aprl.2020 KUNST KLOSTER art research im Frauenhof

Frühsicht … ich meine: Frühschicht im KUNST KLOSTER art research

Guten Morgen. Es ist drei Uhr früh. Der Vollmond steht leuchtend am Himmel. In Indien ist es sieben Uhr dreißig. Ich wäre jetzt in Auroville. Dort gibt es dieselben Einschränkungen. Weltweit sind wir in Coronien. Die ganz Erde ist jetzt vor Ort. Überall. Ich bin im Kunstkloster-Labor, umgeben von inspirierender Natur.

Werkgruppe: Des Unscheinbaren Gegenwart. Pappelzweig und Kohlezeichnung auf gerissenem Papier. 2009.

Die nächtliche Stille bildet einen Resonanzraum in dem die Träume ausschwingen. Schon fluten, wie gestautes Wasser in eine geöffnete Schleuse, Tagesgedanken herein.

Zeitumstellung
Was wird der neue Tag bringen? Sind Mails da? Was sagen die Nachrichten? … rasch mal das Radio eingeschaltet … Nachtmusik … doch Augenblick mal, nicht so stürmisch! DU HAST ZEIT! 

War da nicht neulich die Zeitumstellung? Jagenau! Jetzt rennt man ihr nicht mehr hinterher. Sie fließt nicht mehr ab wie aus einem lecken Eimer. Die Zeit ist umgestellt. Sie hat ihre Richtung gewechselt. Sie vergeht nicht mehr, sondern strömt mit ihrer geballten Zukunft ins gegenwärtige Jetzt herein. Das ist doch mit Zeitumstellung gemeint, oder?

Drei in Einem. Mischtechnik auf Papier. 30 x x30 cm. 201

Zwischenraum
Zwischen Nacht und Tag, zwischen Schlafen und Wachen, gibt es einen Zwischenraum, wie zwischen Ein- und Ausatmen, und der Systole und Diastole des Herzens. In diesem Zwischenraum – nicht mehr träumend und noch nicht wach – beginnt meine Morgenarbeit in der Gedankenwerkstatt. 

Denkrichtung. Mischtechnik und Blattgold auf Papier. 30 x 30 cm. 2016

Gedankenwerkstatt
Ich gehe im frühen Morgendunkel in die Gedankenschmiede des KunstKlosters, um dort mein Gehirn anzufeuern. Trockenes Gedankenholz ist genug da. Ich mag das aufflackernde Leuchten des ersten Bewußsteinsfeuers, und später das orakelhafte Schimmern der Erkenntnisglut mit seinen Schauern aus Licht.
Stoff wandelt sich in Energie. Und aus dieser Energie wird wiederum Formulierung geschmiedet.

Innerlich sehe ich mich in einem kleinen offenen, uralten Tempelchen am indischen Ozean stehen, ausgerichtet im tätigen Gebet auf die schöpferische Mitte des Universums … und in mir. Hatte ich darüber nicht schon mal was geschrieben? Nur wo?

Worte
Ich „denke “ primär visuell. Ich „sehe“ bevor ich das innerlich Gesehene in Worte zu fassen suche.
Worte sind keine leeren Hülsen, in die ich meine visuellen Gedanken fülle. Die haben ein Eigenleben, wie Tiere.
Jedes Wort bringt im Text seine Eigenschaften mit und setzt sie frei: knurrend, schnurrend, kläffend und singend. ‚
Ich will (und kann) die Worte nicht akrobatisch jonglieren lernen, das hieße sie dressieren und verringern. Ich werbe um sie, möchte sie gewinnen, gebe ihnen Freiraum und füttere sie mit frischer Aufmerksamkeit.

Werkgruppe: Tiefsinnige Banalitäten I .Din A 6. Gezeichnet von Ingrid Theinert. 1981.


– Worte sind Samen in denen die Gedanken keimen, aufgehen und wirken. (kann ich nicht auch auch sagen: so wie mit Worten, so sollte ich auch mit Menschen umgehen?) 

Arbeit
Der Begriff „Arbeit“ trifft in der Gedankenwerkstatt nicht ganz zu. Es geht weder um Leistung noch um Produktion, sondern um Ausdruck und Stimmigkeit, um Stimmung und Einstimmung in den Tag.
Das wird gewiss ein intensiver Arbeitstag – am unkündbaren inneren Arbeitsplatz – in der „Weltenbaustelle Mensch“ wo die „Krone der Schöpfung“ Corona hat.

Stimmung
Sich täglich einzustimmen, neu zu stimmen, sich zu justieren dem Ganzen und sich selbst gegenüber ist die tägliche Aufgabe, nicht nur in einer der Krise.
Dann kommt wieder die Nacht, das Bewusstseinsfeuer sinkt in den Schlaf und das intelligente Unbewusste übernimmt die Leitung, um ungestört sein ganzheitliches, regenerierendes Werk zu verrichten und die verbrauchten Kräfte wieder aufzuladen.

Tief atmendes Grün, birgt inneres Geschehen: Sehen.
Acrylfarbe und Kreide auf gerissene Wellpappe. Format: 30 x 30 cm. 2011. Aus der Reihe: Wintersonnwende 2011-2012.

Hallo
Das Gehirn meldet jetzt dringend an den Schreiber: „Du bist nicht nur feuerndes Gehirn das Worte bewegt und von ihnen bewegt wird. WIR sind auch Körper der sich bewegen will und der Nähr-Stoffe braucht!“

Hungrig mahle ich auf der Handmühle den Nackthafer. Jeden Morgen frisch, auch heute.

Draußen

Beim Frühstück fallen mir zwei kleine Episoden aus dem Corona-Alltag ein.

  • Beim Einkauf bei den freundlichen Hermanns in Schechingen steht ich zwischen engen Regalen in einer Schlange. Schlange? Ist sie giftig? Fühle ich mich giftig in der Schlange? Bin ich selber giftig? Welche Hormone setzen sich in mir frei und bestimmen die Emotionen?
    In meinem Einkaufskorb prangt schamlos auffallend eine Klopapierpackung. Warum sieht die den so riesig aus? Die allgemeine Konstellation und der hochvirulente Focus auf diese begehrte Mangelware macht aus diesem bisher unbedeutenden Alltagsstatisten, eben dem Klopapier, im Einkaufskorb einen schillernden, protzigen Star. Ich entkomme der allgemeine Suggestion nicht. Eine Emfpindung ergreift mich an der Kasse, wie ein lauernder Ladendedektiv.
    „Ich komme mir komisch vor mit dem Klopapier, wie ein Hamsterer, aber ich brauche es wirklich“, sage ich treuherzig zu Frau Hermann, die plexiglasgeschützt hinter ihrer Kasse sitzt. Sie schaut kurz auf und erwidert schlagfertig: „Das sagen sie alle.“ Wir lachen herzhaft, und der kollektive Gedankenvirus wird sofort mit Humor immunisiert.
  • Sobald ich das Kunstkloster verlasse und ins Anonyme komme, schrumpft dieses innere Universum das ich hier erlebe ( … und das jeder Mensch potenziell ist … ) zu einem männlichen Körper der „Alter“ hat.
    Mit anderen Körper bewegt er sich ungelenk-abständlich um einander herum. Wie mit Schwimmbewegungen in einem großen Becken indem das verbindende Wasser abgelassen wurde.
    Das will noch geübt werden. Elegant sieht das noch nicht aus.
MAMMA. zum 100 stehen Geburtstag. 9. April 2020.

Es wird ein frühlingshafter Grün-Donnerstag.
Für mich ist das ein Festtag: Meine Mutter ( … unsere, wir sind fünf Kinder) hat Geburtstag, sie wäre heute Hundert geworden.

Einen lichtvollen Tag wünscht Alfred (Bast)

Nun habe ich den gesuchten Text gefunden. Er stammt aus dem Winter-Sonn-Wende-Projekt 2011-2012 und beschreibt mit anderen Worten das selbe Geschehen.

Denken?

Es gibt vieles was in diesem Haus des Denkens geschieht. Von außen betrachtet sitzt da ein Mann still vor einem Feuer. In der Innenwahrnehmung allerdings erschließt sich ein unsichtbarer hoch aktiver Raum. 

Empfindungen, Erinnerungen an die Träume von heute Nacht, wecken bestimmte Gedanken auf, die dann ausgeschlafen und vital ins Zentrum stürmen und die gesamte Aufmerksamkeit für sich beanspruchen. Meine Haustiere im Kopf. Ich weise ihnen einen Platz am Ofen zu. Besonders feurige, drachenverwandte, finden das lustig und hüpfen durch die Scheibe ins Feuer. In einer wirbelnden Flamme sind sie verschwunden. Andere nisten sich in den den erst verkohlten nachtschwarzen Holzscheiten ein, die, mit ein wenig Fantasie, zu archaischen feuerspeienden Urzeitechsen werden, auf deren seidig schwarzer Haut uralte Kulturen in glimmenden Wellen aufleuchten, wie lichtbeschienene Städte von oben aus dem Flugzeug gesehen. Ich bin mir nicht sicher ob mich diese Fantasiewesen auch sehen. Es ist mir lieb, dass eine Glasscheibe dazwischen ist, und ich weiß das das Projektionen sind mit denen ich spiele.

Ich sehe dem Geschehen in mir zu. Warte was kommt, bin neugierig, überrascht, manchmal in Gefahr genervt zu sein. Das ist besonders brisant, weil ich dann, durch meine Abwehr, ein Vakuum erzeuge, und in genau den Gedanken hineingesogen werde, dem ich mich verweigere und der mich dann zu seinem Brennstoff macht, bis ich in seiner Flamme verbrenne. Ich bin dann, hellwachen Sinnes unbewusst, verliere den lebendigen Blick und werde gelebt.

Kontrolle?

Will ich die Kontrolle nicht verlieren? Jeder Gedanke zieht einen Schweif von hinter sich her. Ein reiches Gefolge aus anziehenden und abstoßenden Assoziationen, Erinnerungen und Vorurteilen. Dass Gedanken lebende Wesen sind, wie ich das öfter schon gehört habe kann ich bestätigen. Sie haben Hunger und manche sind sehr gefährlich, intelligent und viel älter als das Ichhaus das sie heimsuchen. 

Sie wollen Aufmerksamkeit. Das ist hochpotente wertvolle Energie. Was aufmerksam wahrgenommen wird gedeiht. Ob eine geniale Idee oder ein dummes Gerücht.

Kontrolle ist in diesem Bereich notwendig. Ein geistiges Immunsystem. Sie bestimmt, sie stimmt das Instrument meiner inneren und äußeren Wahrnehmung, und erzeugt die entsprechenden Hormone die meine Körperzustand bestimmen.

Du kannst die Fähigkeit entwickeln die Aufmerksamkeit ausgerichtet zu halten für die große Melodie deines Lebens, die in deinem gestillten, stillen Herz-Raum zu empfangen und zu hören ist.